2.2.1.1.1 Komponenten von Magnetbändern und deren Stabilität

Magnetbänder bestehen aus zwei Komponenten: die Trägerfolie und die Magnetschicht. Zusätzlich besitzen noch viele Bänder eine Rückseitenmattierung zur Verbesserung der Laufeigenschaften und zur Reduktion elektrostatischer Ladungen.


Abb. 9: Die Schichten eines Magnetbandes.

 


Abb. 10: Schnitt durch verschiedene Tonbänder. Manche Lang- und Doppelspielbänder weisen auch Rückseitenmattierung auf (Friedrich Engel).

2.2.1.1.1.1 Trägerfolien. Im Lauf der Entwicklung von Magnetbändern wurden folgende Trägerfolien verwendet: Papier, Celluloseacetat (CA), Polyvinylchlorid (PVC), Polyester (Polyäthylen Terephthalat, PET, oder PE) und Polyethylen-Naphthalat (PEN).

Celluloseacetat wurde seit Mitte der 1930er Jahren bis zu seinem Auslaufen in den frühen 1970er Jahren verwendet. Erkannt werden die meisten dieser Bänder durch ihre durchsichtigen Bandwickel.

CA ist zwei Alterungsprozessen ausgesetzt: der Hydrolyse, weithin bekannt und gründlich erforscht in der Filmkonservierung als das „Vinegar Syndrom“ (3.1.1.1), sowie dem Verlust des Weichmachers: betroffene Bänder werden spröde.

Im Allgemeinen sind CA-Tonbänder von diesen Prozessen viel weniger betroffen als CA Filme. Das Vinegar Syndrom scheint bis zu einem gewissen Grad von einer kritischen Masse abzuhängen, die bei Tonbändern schwächer auftritt. Während Hydrolyse eindeutig mit hoher Luftfeuchtigkeit korreliert, was die Einhaltung niedriger Werte nahelegt, haben frühere Publikationen (z.B. FIAF, 1.3,11.2.4, 11.2.11.3 mittlere Luftfeuchtigkeitswerte empfohlen, um Weichmacherverlust zu vermeiden. Dies wird in neuerer Literatur nicht aufrechterhalten.

CA-Tonbänder leiden oft auch unter geometrischen Verformungen, die einen intimen Band-Kopf-Kontakt, die Voraussetzung für eine optimale Signalwiedergabe, verhindern. Höherer Bandzug zur Verbesserung des Band-Kopf-Kontaktes ist im Allgemeinen aber wegen der Steifheit der Bänder und der damit bestehenden Bruchgefahr nicht anwendbar.10

Schwere Fälle von beiden Problemen – Hydrolyse und Versprödung – treten hauptsächlich bei deutschen Bändern aus den frühen 1940er Jahren sowie in weiter Verbreitung bei ostdeutschen und sowjetischen Bändern auf, die bis weit in die 1960er Jahre produziert wurden.


 

Abb. 11 und 12: Ein typisch versprödetes CA-Band vor und nach seiner Rekonditionierung (auf eine Spule gewickelt). Der zerfallene Bandwickel kann durch einen „Wickelretter“ (siehe 3.4.2.1 und Abb. 24) gerettet werden.

Auch andere CA-Tonbänder sind von diesen Problemen betroffen. Allerdings sind CA-Bänder aus manchen Fabrikationen immer noch in flexiblem Zustand und gut abspielbar.

Eine tröstliche Erscheinung verdanken wir dem Umstand, dass CA-Bänder brechen, ohne sich vorher zu dehnen (im Unterschied zu PET- Bändern, siehe unten), was normalerweise das Kleben der Bänder ohne den Verlust des aufgenommenen Signals ermöglicht.

PVC-Bänder wurden hauptsächlich in Deutschland von 1944-1972 produziert und weisen bis heute keine systematischen chemischen Veränderungen auf. Es wurde bisher kein Verlust von Weichmacher festgestellt, die Bänder haben ihre Flexibilität bewahrt. Wegen ihrer elektrostatischen Eigenschaften aber sind ihre Wickeleigenschaften beeinträchtigt.

Da praktisch alle PVC-Bänder in Deutschland produziert wurden, ist die Identifikation professioneller Bänder wegen deren Rückseitenbeschriftung leicht. Amateurbänder können an den Aufdrucken am Vorspann identifiziert werden, sofern der originale noch vorhanden ist. Typisch für alle PVC-Bänder ist ihre weiche Plastizität, ein hochwillkommener Vorteil gegenüber CA-Bändern gleichen Alters.

Abgesehen von frühen Experimenten zur Magnetaufnahme in Deutschland in den frühen 1930er Jahren und gelegentlich nach dem 2. Weltkrieg wurden nur wenige Papierbänder in den späten 1940er Jahren in den Vereinigten Staaten produziert.

PET-Bänder haben schrittweise seit den späten 1950er Jahren CA- und PVC-Bänder ersetzt. Sie sind seither für alle Arten von Magnetbandanwendungen eingesetzt worden. PET-Folien sind relativ widerstandsfähig, und systematische chemische Instabilitäten wurden bisher nicht beobachtet.11 Allerding dehnt sich PET aus, bevor es bricht, was zum Verlust aufgenommener Signale führt. Das erfordert Präzision der Wiedergabegeräte und genaue Justage der Bandwickelmechanik, besonders bei der Wiedergabe dünner Bänder.

Die Folienstärken variieren zwischen 30μm für „Normalspielband“ für Ton bis hinunter zu 6μm für dünne Audio- und Videokassettenbänder. Die dünnsten CA- und PVC Bänder sind Doppelspiel-Spulenbänder (15μm stark), während dünnere Bänder nur mit PET- oder PEN-Folien möglich sind. PEN wird für dünne digitale Videobänder sowie für Datensicherungsbänder verwendet.

Um eine stabile Verbindung mit der Pigmentschicht, aber auch mit der Rückseitenmattierung zu gewährleisten, ist die Trägerfolie mit einem dünnen (Bruchteile von μm) Haftvermittler (Primer), versehen, der entweder bereits in der Folienherstellung oder im Prozess des Gusses der Magnetschicht aufgebracht wird.

2.2.1.1.1.2 Magnetische Pigmente. Das erste in den 1930er Jahren verwendete magnetische Pigment war Karbonyleisen. Es wurde schon bald durch Eisennoxid (ɣFe2O3) abgelöst, das für alle Spulentonbänder, alle Compact-Cassetten der Type IEC I und das erste Videoformat (2-Zoll Quadruplex) eingesetzt wurde. ɣFe2O3 ist brauner Rost und chemisch stabil. Wegen der Größe seiner Elementarmagneten ist jedoch seine Fähigkeit beschränkt, eine größere Datendichte aufzunehmen, wie sie bei der Aufnahme mit geringen Geschwindigkeiten und bei schmalen Spuren entsteht. Um den Einsatz kleinerer Bänder zu ermöglichen, die trotzdem die Bandbreite von Videosignalen speichern können, wurde seit den frühen 1970er Jahren Chromdioxid (CrO2) eingesetzt. Chromdioxid und seine Substitute (Kobalt-dotiertes Fe3O4) haben dunkelgraue Farbe und wurden hauptsächlich für analoge Videoformate und für Compact Cassetten der Type IEC II verwendet. Hinsichtlich der chemischen Stabilität wurden bisher keine kritischen Feststellungen gemacht. Seit Mitte der 1970er Jahre wurden auch Zweischichtbänder produziert, bei denen eine Eisenoxidschicht mit einer dünnen CrO2-Schicht überzogen wurde. Als IEC Type III zeichneten sich diese Compact Cassetten durch einen verbesserten Signal-Rauschabstand aus.

Das jüngste Magnetpigment besteht aus Reineisen-Partikeln (MP). Es wird für digitale Videoformate, R-DAT, und Compact Cassetten der Type IV verwendet. Aufgrund seiner chemischen Eigenschaften ist es potentiell der Oxidation ausgesetzt. Nach dem Auftreten solcher Probleme bei frühen Bändern wurden Methoden entwickelt, die bisher ein verbreitetes Auftreten von Oxidation verhindert haben. Trotzdem müssen MP- und ME- Bänder (das sind solche, bei denen die Magnetschicht durch Aufdampfen im Hochvakuum aufgebracht wird) mittel- bis langfristig als potentiell gefährdete Materialen betrachtet werden. Hinsichtlich ihrer Farbe ähneln sie Chromdioxidbändern, allerdings mit einem „metallischen“ Oberflächenglanz.

2.2.1.1.1.2.1 Die Stabilität der magnetischen Information. Ein bestimmender Faktor für die Stabilität der magnetischen Information ist die Koerzitivkraft12 eines magnetischen Materials, wobei in Zuge der Entwicklung Materialien mit immer höherer Koerzitivkraft einsetzt wurden. Für Karbonyleisen beträgt die Koerzitivkraft ca. 150 Oersted (Oe), für durchschnittliche ɣFe2O3 Oxide zwischen 300 und 400 Oe; CrO2 Bänder weisen typisch 600-700 Oe auf, MP und ME Bänder bis zu 1500 Oe. Für Datenbänder kann der Koerzitivwert bis über 2500 Oe betragen.13

Neben externen einwirkenden Magnetfeldern können Temperaturen jenseits des Curiepunkts (3.2.1.5) und Magnetostriktion die magnetische Orientierung verändern.

Unter Magnetostriktion versteht man die Veränderung der magnetischen Orientierung durch mechanische Belastung. Abgesehen von frühen Fe3O4 Bändern ist dieser Effekt aber unbedeutend. Allerdings setzt man Magnetostriktion positiv zur Löschung des unerwünschten Kopiereffektes auf Magnetbändern ein (siehe IASA-TC 04, 5.4.13).

Im Gegensatz zu weit verbreiteten Ängsten geht magnetische Information nicht im Laufe der Zeit verloren: Nach Standards produzierte, bewahrte und behandelte Magnetbänder verlieren nicht ihre magnetischen Aufzeichnungen innerhalb historisch relevanter Zeitspannen.

2.2.1.1.1.3 Pigmentbindemittel. Magnetische Pigmente sind Pulver, die mit Bindemittel zusammengehalten und auf der Bandfolie fixiert werden müssen. In der Frühzeit wurde Celluloseacetat verwendet, gefolgt von Polyurethan Co-Polymeren. Frühe CA-Bindemittel sind für den Abrieb von trockenem Pigment verantwortlich und daher als Risiko einzustufen, was für die CA-Bänder auch ganz allgemein gilt. Im Allgemeinen aber weist die Mehrzahl der Bänder aus späten 1950er und den 1960er- Jahren keine schwerwiegenden Bindemittelprobleme auf.

Bänder aus den 1970er und 1980er Jahren weisen aber leider vielfach instabile Pigmentschichten auf, was sich als Abrieb der Pigmentschicht in Form von klebrigen Ablagerungen äußert, das weithin als „Sticky tape“ bzw. „Sticky shed syndrome“ (SSS) bekannt ist (2.2.1.1.2).

2.2.1.1.1.4 Gleitmittel. Die Magnetschichten enthalten auch Gleitmittel, im Allgemeinen fette Ester, die die Reibung zwischen den Band und den Köpfen vermindern. Die Schicht wirkt wie ein Schwamm, der das Gleitmittel durch Poren bereitstellt, wobei die Gleitmittelmenge für Videobänder wegen der hohen Schreibgeschwindigkeit größer als für Tonbänder ist. Die Porengröße, und damit die Menge der Gleitmittelabgabe, wird durch den Prozess des Kalandrierens im Zuge des Schichtbegusses bestimmt. Manche Gleitmittel haben die Tendenz, auszutreten und an der Bandoberfläche zu kristallisieren, besonders Stearinsäure bei Temperaturen unter 8° C, was die Wiedergabeköpfe verschmiert. Überschüssiges Gleitmittel kann mechanisch unter Zuhilfenahme erhöhter Temperaturen entfernt werden. Das Zuführen von Gleitmitteln („re-lubrication“), das von manchen Webseiten und Publikationen erwähnt wird, ist kritisch zu bewerten, weil es nicht möglich ist, die Zugabe auf die sehr geringe Menge, die gebraucht wird, zu beschränken. Das überschüssige Gleitmittel ist schwer von den Bandführungen, den Köpfen und der Tonwelle [capstan] zu entfernen und kann dann auch andere Bänder, die auf solchen Maschinen abgespielt werden, beeinflussen (Schüller 2014).

2.2.1.1.1.5 Rückseitenmattierung wurde in Deutschland eingeführt, um einen sicheren Umgang mit dem dort im Studiobereich verbreiteten offenen Bandwickeln zu gewährleiten. Die Mattierung ermöglicht einen festen und sicheren Bandwickel ohne das Risiko des Auseinanderfallens. Seit den 1970er Jahren fanden Rückseitenmattierungen weitere Verbreitung für Ton- und Videobänder, wobei durch die Beimischung von Ruß die Leitfähigkeit zur Verminderung der elektrostatischen Aufladung und durch die leichte Rauigkeit die Wickeleigenschaften verbessert wurden.


10. Einige Autoren berichten von einer Verbesserung der Wiedergabe spröder Bänder durch eine vorangehende Lagerung unter hoher Luftfeuchtigkeit, was vorübergehend den Verlust des Weichmachers kompensiert. Jüngst wurden Verfahren entwickelt, die spröde Bänder durch das Zuführen von Weichmachern wieder permanent elastisch machen (Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012, Wallaszkovits et al. 2014).

11. Ein theoretisches Zerfalls-Szenario wurde in den 1980er Jahren diskutiert, ist aber nie praktisch aufgetreten.

12. Die Koerzitivkraft eines Materials ist jene Eigenschaft, die Änderungen der magnetischen Orientierung (einschließlich einer Löschung) widersteht. Sie wird durch die Stärke das Magnetfeldes ausgedrückt, das zur Veränderung der magnetischen Orientierung notwendig ist. Je höher die Koerzitivkraft, desto höher ist der Widerstand gegen eine Umorientierung (bzw. Löschung) durch ein externes Magnetfeld.

13. Im Bereich der analogen Tonaufnahme waren die Unterschiede der Koerzitivkraft zwischen den Bändern der wesentliche Grund für die Notwendigkeit der individuellen Einstellung der Vormagnetisierung für jeden Bandtyp.