15. Priorisierung

Früher oder später müssen alle audiovisuellen Dokumente, die langfristig bewahrt werden sollen, als Dateien in digitale Speichersysteme übertragen werden. Da dieser Übertragungsprozess zeitraubend und kostenintensiv ist, sollte er einer Strategie folgen, die auf der individuellen Situation der Sammlung und der spezifischen Politik des Archivs beruht. Allgemein müssen jene Bestände bevorzugt werden, bei denen das größte Risiko besteht, sei es durch Instabilität, oder durch Obsoleszenz (siehe Kapitel 3 und 4).

Folgende Träger sind potentiell von inhärenter Instabilität, Alterung oder unsachgemäßer Behandlung bedroht:

  • Zylinder
  • Nitrofilm
  • Direktschnittplatten aller Art, besonders Lackplatten („Azetat“-Platten)
  • Azetatbänder
  • Azetatfilm mit Anzeichen von Schädigung, z.B. Farbverlust, außer gefroren gelagerte
  • Halbzoll EIAJ Videobänder
  • U-matic Bänder
  • Bespielbare optische Medien, CD-R, DVD-R, etc.)

Priorisierung muss aber auch innerhalb des weiteren Rahmens der technischen Obsoleszenz gesehen werden: Viele Träger von verbreiteten trägergebundenen Dokumenten werden, obwohl sie altern, unsere Möglichkeiten, sie abzuspielen, überleben, was im Besonderen auf die meisten magnetischen Bandformate zutrifft (siehe Kapitel 4). Für viele, vermutlich die meisten Archive wird Obsoleszenz eine unmittelbarere Gefahr darstellen als Instabilität und Alterung.

Archiven, die beabsichtigen, ihre audiovisuellen Bestände selbst zu digitalisieren, wird dringend geraten, Zahl und Qualität ihrer Wiedergabegeräte mit der Größe der Bestände zu vergleichen und sofort Maßnahmen zur ausreichenden Verfügbarkeit moderner Geräte und unterstützender Infrastruktur einzuleiten, damit die gesamte Sammlung optimal übertragen werden kann (siehe Kapitel 7).

Kommentar:

Mit einer Ausnahme stellt die oben angeführte Liste der Träger keine Bewertung nach der Dringlichkeit dar. Das Setzen von Prioritäten innerhalb einer Sammlung muss auf einer Untersuchung basieren und wird vom individuellen Grad des Erhaltungszustandes der Träger, der Verfügbarkeit der geeigneten Geräte, und, zu einem geringeren Teil, von der Existenz von Duplikaten des Materials abhängen.

Die Ausnahme bilden sogenannte Lack- oder Azetatplatten. Selbst wenn derartige Platten noch in spielbarem Zustand sind, unterliegen sie dem hohen Risiko eines plötzlichen Zerreißens ihrer Lackoberfläche ohne vorangehende Warnung. Der Grund besteht im ständigen Schrumpfen der Lackbeschichtung, die zu einer immer größer werdenden Spannung zwischen dieser Schicht und dem Plattenkern führt. Daher sollten solche Lackplatten mit höchster Priorität in das Kopierprogramm aufgenommen werden.

Formatobsoleszenz führt zu einem raschen Verschwinden von entsprechenden Testgeräten, Testbändern und -platten, sowie Zubehör wie Leerspulen, Vorspann- und Klebebändern, etc. Testmaterialen für einige Ton- und Filmformate werden noch von einigen Erzeugern geliefert.