2.2 Magnetische Träger

Die Magnetaufzeichnung wurde bereits im 19. Jahrhundert entwickelt. Stahldraht- und Stahlbandgeräte wurden in geringem Ausmaß parallel zu Zylindern und Grammophonen eingesetzt. Das Verfahren fand mit der Entwicklung des modernen Tonbandes in den 1930er Jahren weitere Verbreitung.

2.2.1 Aufnahmeverfahren

Ein magnetischer Träger wird an einem Elektromagneten, dem „Aufnahmekopf“ vorbeigeführt. Dieser produziert in Abhängigkeit des aufzunehmenden Signals ein variables Magnetfeld, das dem Träger im Moment des Passierens übermittelt und dort „eingefroren“ wird. Die Wiedergewinnung des Signals erfolgt durch das Vorbeiführen des Trägers an einem Wiedergabekopf (oft identisch mit dem Aufnahmekopf), der die Magnetfelder des Trägers in ein elektrisches Signal rückwandelt. Bei analogen Tonaufnahmen sind die Köpfe stationär. Analoge Videosignale, sowie digitale Audio- und Videosignale benötigen aber eine wesentlich größere Bandbreite, was eine Erhöhung der Aufnahmegeschwindigkeit erfordert. Dies geschieht mit Hilfe eines rotierenden Kopfes, der Spuren mit hoher Geschwindigkeit quer oder schräg über ein Magnetband aufzeichnet, während sich das Band selbst wesentlich langsamer fortbewegt.

Von grundsätzlicher Bedeutung für die optimale Funktion ist der intime Kontakt zwischen Kopf und Magnetträger, weshalb Träger, Maschinen, sowie Lager- und Abspielräume sauber gehalten werden müssen (siehe 3.5.1, und Abb. 25).

Die Besonderheiten von Festplatten sind in 2.2.2 ausgeführt.

Mithilfe des Kerr-Effektes kann magnetische Information auch optisch ausgelesen werden. Dieses Prinzip wird bei magneto-optischen Trägern angewendet (2.3.1.4), ebenso bei Datensicherungsbändern („computer back-up tapes“) mit hoher Datendichte. Die Auslesung analoger Tonbänder mit Hilfe dieses Prinzip blieb im experimentellen Bereich.

2.2.1.1 Magnetbänder

In ihrer m odernen Form wurde die Aufzeichnung auf Magnetband in den 1930er Jahren von AEG Telefunken entwickelt und seit 1936 professionell eingesetzt. Das Verfahren war im Deutschen Rundfunk weit verbreitet, blieb aber wegen des Zweiten Weltkriegs auf Deutschland beschränkt. Es kam nach dem Krieg in die USA, von wo aus es sich weltweit verbreitete. In den späten 1940er und früheren 1950er Jahren wurde es hauptsächlich in den Bereichen Rundfunk- und Phonoindustrie eingesetzt, ab den 1950er Jahren aber wurden auch Geräte für den Heimgebrauch konstruiert, die mit geringeren Geschwindigkeiten sowie Halb- und Viertelspurformaten die Kosten für Magnetbänder senkten, allerdings zu Lasten der Aufnahmequalität. Ebenfalls in den 1950erJahren kamen tragbare, transistorisierte Geräte auf den Markt, die die Herstellung von Tonaufnahmen überall in der Welt möglich machten. Dies führte zu einer sehr regen Entstehung von Tonband-Sammlungen, besonders auch von linguistischen, ethno-musikologischen und kultur-anthropologischen Dokumentationen. In den 1960er Jahren wurden auch Kassettenformate entwickelt, als bedeutendste die Compact Cassette, die bis heute noch (2014) in Verwendung ist.

Zusätzlich zu Magnetbandgeräten wurden in den USA in den 1940er Jahren auch Magnetdrahtgeräte entwickelt, die in den 1950er und 1960er Jahren auch einige Verbreitung in Europa fanden.


Abb. 7: Prinzip der magnetischen Tonaufzeichnung. Bei diesem „linearen“ Verfahren ist die Schreibgeschwindigkeit identisch mit der Bandgeschwindigkeit.

Nach einigen Experimenten wurde die digitale Tonaufzeichnung auf Magnetband in den 1980er Jahren entwickelt. All diese frühen professionellen und semi-professionellen Formate sind heute jedoch obsolet. 1987 wurde R-DAT (Rotary Head Digital Audio Tape), ein digitales Kassetten-Aufnahmeformat, auf den Markt gebracht, das im professionellem wie semiprofessionellen Bereich weite Verbreitung fand, aber seit 2005 obsolet ist. Heute (2014), sind praktisch alle spezifischen Audioformate tot. Aufnahme, Nachbearbeitung und Lagerung sind Teil der IT- (Computer-) Welt mit ihren spezifischen Trägern und Formaten geworden.

Seit 1956 wird Magnetband auch für Videoaufnahmen eingesetzt. Verschiedene professionelle Spulen-Formate wurden entwickelt und waren bis in die späten 1970er Jahre in Gebrauch, gefolgt von analogen und digitalen Kassettenformaten. Für den frühen Heimgebrauch waren seit rund 1970 Spulenformate im Einsatz, seit rund 1980 weitverbreitet Kassettenformate. Von diesen hat VHS (Video Home System) relativ lang überlebt. Für Camcorders („Handy Cams“) wurde ein 8 mm Kassettenformat (Video8, Video Hi8) beliebt, das bis in die frühen 2000er Jahre verbreitet war. Digitale Heimformate gibt es ab 1996. Das Mini DV Format dominierte die Camcorder seit den frühen 2000er Jahren, wurde aber ebenfalls obsolet und durch Aufnahmesysteme mit optischen und Festplatten ersetzt, zuletzt durch Festkörperspeicher [flash cards]. Eine ähnliche Entwicklung nehmen derzeit (2014) die letzten professionellen Videobandformate.


Abb. 8: Prinzip der magnetischen Videoaufzeichnung. Die hohe Bandbreite der Videosignale erfordert hohe Aufzeichnungsgeschwindigkeiten, die durch einen schnell rotierenden Kopf erzielt werden, der dünne Videospuren schräg auf ein Band schreibt, das sich mit wesentlich geringerer linearer Geschwindigkeit bewegt. Dieses Prinzip [helical scan] wird auch für digitale Videoformate sowie R-DAT angewendet.

Die Videoaufzeichnung hat sich ähnlich entwickelt wie die für Audio. Proprietäre Videoformate werden durch Fileformate ersetzt: Aufnahme, Nachbearbeitung und Lagerung sind Teil der IT-Welt geworden.

Einige Video-Kassettenformate sind auch für Audioaufnahmen herangezogen worden (IASA-TC 04, 5.5.7).

Jenseits spezifischer Audio-und Videoformate gehören magnetische Medien zu den meistverwendeten Speichern im IT-Bereich. Magnetbänder spielen eine wichtige Rolle als Sicherungsmedien und Festplatten erleben beeindruckende Zuwachsraten im professionellen wie auch im privaten Gebrauch. Wenn sich auch diese Publikation auf (traditionelle) Audio-und Videobänder konzentriert, so gelten die beschriebenen Grundsätze auch für die magnetischen Computermedien.

2.2.1.1.1 Komponenten von Magnetbändern und deren Stabilität

Magnetbänder bestehen aus zwei Komponenten: die Trägerfolie und die Magnetschicht. Zusätzlich besitzen noch viele Bänder eine Rückseitenmattierung zur Verbesserung der Laufeigenschaften und zur Reduktion elektrostatischer Ladungen.


Abb. 9: Die Schichten eines Magnetbandes.

 


Abb. 10: Schnitt durch verschiedene Tonbänder. Manche Lang- und Doppelspielbänder weisen auch Rückseitenmattierung auf (Friedrich Engel).

2.2.1.1.1.1 Trägerfolien. Im Lauf der Entwicklung von Magnetbändern wurden folgende Trägerfolien verwendet: Papier, Celluloseacetat (CA), Polyvinylchlorid (PVC), Polyester (Polyäthylen Terephthalat, PET, oder PE) und Polyethylen-Naphthalat (PEN).

Celluloseacetat wurde seit Mitte der 1930er Jahren bis zu seinem Auslaufen in den frühen 1970er Jahren verwendet. Erkannt werden die meisten dieser Bänder durch ihre durchsichtigen Bandwickel.

CA ist zwei Alterungsprozessen ausgesetzt: der Hydrolyse, weithin bekannt und gründlich erforscht in der Filmkonservierung als das „Vinegar Syndrom“ (3.1.1.1), sowie dem Verlust des Weichmachers: betroffene Bänder werden spröde.

Im Allgemeinen sind CA-Tonbänder von diesen Prozessen viel weniger betroffen als CA Filme. Das Vinegar Syndrom scheint bis zu einem gewissen Grad von einer kritischen Masse abzuhängen, die bei Tonbändern schwächer auftritt. Während Hydrolyse eindeutig mit hoher Luftfeuchtigkeit korreliert, was die Einhaltung niedriger Werte nahelegt, haben frühere Publikationen (z.B. FIAF, 1.3,11.2.4, 11.2.11.3 mittlere Luftfeuchtigkeitswerte empfohlen, um Weichmacherverlust zu vermeiden. Dies wird in neuerer Literatur nicht aufrechterhalten.

CA-Tonbänder leiden oft auch unter geometrischen Verformungen, die einen intimen Band-Kopf-Kontakt, die Voraussetzung für eine optimale Signalwiedergabe, verhindern. Höherer Bandzug zur Verbesserung des Band-Kopf-Kontaktes ist im Allgemeinen aber wegen der Steifheit der Bänder und der damit bestehenden Bruchgefahr nicht anwendbar.10

Schwere Fälle von beiden Problemen – Hydrolyse und Versprödung – treten hauptsächlich bei deutschen Bändern aus den frühen 1940er Jahren sowie in weiter Verbreitung bei ostdeutschen und sowjetischen Bändern auf, die bis weit in die 1960er Jahre produziert wurden.


 

Abb. 11 und 12: Ein typisch versprödetes CA-Band vor und nach seiner Rekonditionierung (auf eine Spule gewickelt). Der zerfallene Bandwickel kann durch einen „Wickelretter“ (siehe 3.4.2.1 und Abb. 24) gerettet werden.

Auch andere CA-Tonbänder sind von diesen Problemen betroffen. Allerdings sind CA-Bänder aus manchen Fabrikationen immer noch in flexiblem Zustand und gut abspielbar.

Eine tröstliche Erscheinung verdanken wir dem Umstand, dass CA-Bänder brechen, ohne sich vorher zu dehnen (im Unterschied zu PET- Bändern, siehe unten), was normalerweise das Kleben der Bänder ohne den Verlust des aufgenommenen Signals ermöglicht.

PVC-Bänder wurden hauptsächlich in Deutschland von 1944-1972 produziert und weisen bis heute keine systematischen chemischen Veränderungen auf. Es wurde bisher kein Verlust von Weichmacher festgestellt, die Bänder haben ihre Flexibilität bewahrt. Wegen ihrer elektrostatischen Eigenschaften aber sind ihre Wickeleigenschaften beeinträchtigt.

Da praktisch alle PVC-Bänder in Deutschland produziert wurden, ist die Identifikation professioneller Bänder wegen deren Rückseitenbeschriftung leicht. Amateurbänder können an den Aufdrucken am Vorspann identifiziert werden, sofern der originale noch vorhanden ist. Typisch für alle PVC-Bänder ist ihre weiche Plastizität, ein hochwillkommener Vorteil gegenüber CA-Bändern gleichen Alters.

Abgesehen von frühen Experimenten zur Magnetaufnahme in Deutschland in den frühen 1930er Jahren und gelegentlich nach dem 2. Weltkrieg wurden nur wenige Papierbänder in den späten 1940er Jahren in den Vereinigten Staaten produziert.

PET-Bänder haben schrittweise seit den späten 1950er Jahren CA- und PVC-Bänder ersetzt. Sie sind seither für alle Arten von Magnetbandanwendungen eingesetzt worden. PET-Folien sind relativ widerstandsfähig, und systematische chemische Instabilitäten wurden bisher nicht beobachtet.11 Allerding dehnt sich PET aus, bevor es bricht, was zum Verlust aufgenommener Signale führt. Das erfordert Präzision der Wiedergabegeräte und genaue Justage der Bandwickelmechanik, besonders bei der Wiedergabe dünner Bänder.

Die Folienstärken variieren zwischen 30μm für „Normalspielband“ für Ton bis hinunter zu 6μm für dünne Audio- und Videokassettenbänder. Die dünnsten CA- und PVC Bänder sind Doppelspiel-Spulenbänder (15μm stark), während dünnere Bänder nur mit PET- oder PEN-Folien möglich sind. PEN wird für dünne digitale Videobänder sowie für Datensicherungsbänder verwendet.

Um eine stabile Verbindung mit der Pigmentschicht, aber auch mit der Rückseitenmattierung zu gewährleisten, ist die Trägerfolie mit einem dünnen (Bruchteile von μm) Haftvermittler (Primer), versehen, der entweder bereits in der Folienherstellung oder im Prozess des Gusses der Magnetschicht aufgebracht wird.

2.2.1.1.1.2 Magnetische Pigmente. Das erste in den 1930er Jahren verwendete magnetische Pigment war Karbonyleisen. Es wurde schon bald durch Eisennoxid (ɣFe2O3) abgelöst, das für alle Spulentonbänder, alle Compact-Cassetten der Type IEC I und das erste Videoformat (2-Zoll Quadruplex) eingesetzt wurde. ɣFe2O3 ist brauner Rost und chemisch stabil. Wegen der Größe seiner Elementarmagneten ist jedoch seine Fähigkeit beschränkt, eine größere Datendichte aufzunehmen, wie sie bei der Aufnahme mit geringen Geschwindigkeiten und bei schmalen Spuren entsteht. Um den Einsatz kleinerer Bänder zu ermöglichen, die trotzdem die Bandbreite von Videosignalen speichern können, wurde seit den frühen 1970er Jahren Chromdioxid (CrO2) eingesetzt. Chromdioxid und seine Substitute (Kobalt-dotiertes Fe3O4) haben dunkelgraue Farbe und wurden hauptsächlich für analoge Videoformate und für Compact Cassetten der Type IEC II verwendet. Hinsichtlich der chemischen Stabilität wurden bisher keine kritischen Feststellungen gemacht. Seit Mitte der 1970er Jahre wurden auch Zweischichtbänder produziert, bei denen eine Eisenoxidschicht mit einer dünnen CrO2-Schicht überzogen wurde. Als IEC Type III zeichneten sich diese Compact Cassetten durch einen verbesserten Signal-Rauschabstand aus.

Das jüngste Magnetpigment besteht aus Reineisen-Partikeln (MP). Es wird für digitale Videoformate, R-DAT, und Compact Cassetten der Type IV verwendet. Aufgrund seiner chemischen Eigenschaften ist es potentiell der Oxidation ausgesetzt. Nach dem Auftreten solcher Probleme bei frühen Bändern wurden Methoden entwickelt, die bisher ein verbreitetes Auftreten von Oxidation verhindert haben. Trotzdem müssen MP- und ME- Bänder (das sind solche, bei denen die Magnetschicht durch Aufdampfen im Hochvakuum aufgebracht wird) mittel- bis langfristig als potentiell gefährdete Materialen betrachtet werden. Hinsichtlich ihrer Farbe ähneln sie Chromdioxidbändern, allerdings mit einem „metallischen“ Oberflächenglanz.

2.2.1.1.1.2.1 Die Stabilität der magnetischen Information. Ein bestimmender Faktor für die Stabilität der magnetischen Information ist die Koerzitivkraft12 eines magnetischen Materials, wobei in Zuge der Entwicklung Materialien mit immer höherer Koerzitivkraft einsetzt wurden. Für Karbonyleisen beträgt die Koerzitivkraft ca. 150 Oersted (Oe), für durchschnittliche ɣFe2O3 Oxide zwischen 300 und 400 Oe; CrO2 Bänder weisen typisch 600-700 Oe auf, MP und ME Bänder bis zu 1500 Oe. Für Datenbänder kann der Koerzitivwert bis über 2500 Oe betragen.13

Neben externen einwirkenden Magnetfeldern können Temperaturen jenseits des Curiepunkts (3.2.1.5) und Magnetostriktion die magnetische Orientierung verändern.

Unter Magnetostriktion versteht man die Veränderung der magnetischen Orientierung durch mechanische Belastung. Abgesehen von frühen Fe3O4 Bändern ist dieser Effekt aber unbedeutend. Allerdings setzt man Magnetostriktion positiv zur Löschung des unerwünschten Kopiereffektes auf Magnetbändern ein (siehe IASA-TC 04, 5.4.13).

Im Gegensatz zu weit verbreiteten Ängsten geht magnetische Information nicht im Laufe der Zeit verloren: Nach Standards produzierte, bewahrte und behandelte Magnetbänder verlieren nicht ihre magnetischen Aufzeichnungen innerhalb historisch relevanter Zeitspannen.

2.2.1.1.1.3 Pigmentbindemittel. Magnetische Pigmente sind Pulver, die mit Bindemittel zusammengehalten und auf der Bandfolie fixiert werden müssen. In der Frühzeit wurde Celluloseacetat verwendet, gefolgt von Polyurethan Co-Polymeren. Frühe CA-Bindemittel sind für den Abrieb von trockenem Pigment verantwortlich und daher als Risiko einzustufen, was für die CA-Bänder auch ganz allgemein gilt. Im Allgemeinen aber weist die Mehrzahl der Bänder aus späten 1950er und den 1960er- Jahren keine schwerwiegenden Bindemittelprobleme auf.

Bänder aus den 1970er und 1980er Jahren weisen aber leider vielfach instabile Pigmentschichten auf, was sich als Abrieb der Pigmentschicht in Form von klebrigen Ablagerungen äußert, das weithin als „Sticky tape“ bzw. „Sticky shed syndrome“ (SSS) bekannt ist (2.2.1.1.2).

2.2.1.1.1.4 Gleitmittel. Die Magnetschichten enthalten auch Gleitmittel, im Allgemeinen fette Ester, die die Reibung zwischen den Band und den Köpfen vermindern. Die Schicht wirkt wie ein Schwamm, der das Gleitmittel durch Poren bereitstellt, wobei die Gleitmittelmenge für Videobänder wegen der hohen Schreibgeschwindigkeit größer als für Tonbänder ist. Die Porengröße, und damit die Menge der Gleitmittelabgabe, wird durch den Prozess des Kalandrierens im Zuge des Schichtbegusses bestimmt. Manche Gleitmittel haben die Tendenz, auszutreten und an der Bandoberfläche zu kristallisieren, besonders Stearinsäure bei Temperaturen unter 8° C, was die Wiedergabeköpfe verschmiert. Überschüssiges Gleitmittel kann mechanisch unter Zuhilfenahme erhöhter Temperaturen entfernt werden. Das Zuführen von Gleitmitteln („re-lubrication“), das von manchen Webseiten und Publikationen erwähnt wird, ist kritisch zu bewerten, weil es nicht möglich ist, die Zugabe auf die sehr geringe Menge, die gebraucht wird, zu beschränken. Das überschüssige Gleitmittel ist schwer von den Bandführungen, den Köpfen und der Tonwelle [capstan] zu entfernen und kann dann auch andere Bänder, die auf solchen Maschinen abgespielt werden, beeinflussen (Schüller 2014).

2.2.1.1.1.5 Rückseitenmattierung wurde in Deutschland eingeführt, um einen sicheren Umgang mit dem dort im Studiobereich verbreiteten offenen Bandwickeln zu gewährleiten. Die Mattierung ermöglicht einen festen und sicheren Bandwickel ohne das Risiko des Auseinanderfallens. Seit den 1970er Jahren fanden Rückseitenmattierungen weitere Verbreitung für Ton- und Videobänder, wobei durch die Beimischung von Ruß die Leitfähigkeit zur Verminderung der elektrostatischen Aufladung und durch die leichte Rauigkeit die Wickeleigenschaften verbessert wurden.


10. Einige Autoren berichten von einer Verbesserung der Wiedergabe spröder Bänder durch eine vorangehende Lagerung unter hoher Luftfeuchtigkeit, was vorübergehend den Verlust des Weichmachers kompensiert. Jüngst wurden Verfahren entwickelt, die spröde Bänder durch das Zuführen von Weichmachern wieder permanent elastisch machen (Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012, Wallaszkovits et al. 2014).

11. Ein theoretisches Zerfalls-Szenario wurde in den 1980er Jahren diskutiert, ist aber nie praktisch aufgetreten.

12. Die Koerzitivkraft eines Materials ist jene Eigenschaft, die Änderungen der magnetischen Orientierung (einschließlich einer Löschung) widersteht. Sie wird durch die Stärke das Magnetfeldes ausgedrückt, das zur Veränderung der magnetischen Orientierung notwendig ist. Je höher die Koerzitivkraft, desto höher ist der Widerstand gegen eine Umorientierung (bzw. Löschung) durch ein externes Magnetfeld.

13. Im Bereich der analogen Tonaufnahme waren die Unterschiede der Koerzitivkraft zwischen den Bändern der wesentliche Grund für die Notwendigkeit der individuellen Einstellung der Vormagnetisierung für jeden Bandtyp.

2.2.1.1.2 Das sogenannte „Sticky Tape“ bzw. „Sticky Shed Syndrome” (SSS)

Seit der Mitte der 1970er Jahre wurden klebrige Bänder und Pigmentabrieb regelmäßig beobachtet. Diese Bänder quietschen oft beim Abspielen durch die Friktion zwischen dem klebrigen Pigment mit den Ablagerungen auf den Bandführungsteilen und Köpfen. Das verschmiert die Köpfe und führt zu einem signifikanten Verlust der Wiedergabe hoher Frequenzen beim Ton bzw. zum totalen Zusammenbruch des Signals bei Video.

Hydrolyse des Pigmentbindemittels ist die häufigste Erklärung des Problems. Da aber diese Form der Hydrolyse bis zu einem gewissen Grad reversibel ist, können solche Bänder wieder spielbar gemacht werden, indem man sie geringer Luftfeuchtigkeit und erhöhten Temperaturen aussetzt (bzw. einer Kombination beider Maßnahmen: siehe hierzu IASA-TC 04, 5.4.3.4).

Jüngste Untersuchungen14 haben jedoch ergeben, dass es zusätzlich eine Reihe weiterer Ursachen für klebrige Bänder gibt: Haftmittelaustritt, Überschuss an Dispersionsmittel, Gleitmittelaustritt, und schließlich ungleiche Verteilung von Härtern. Außer für das letztgenannte Problem, das nicht behebbar ist, sind ähnliche Maßnahmen wie gegen Hydrolyse wirksam: erhöhte Temperaturen,15 gepaart mit mechanischer Reinigung. Dies gestattet die Abspielbarkeit innerhalb eines Zeitfensters, das für die Übertragung des Inhalts ausreichend lang ist.


14. Schüller 2014.
15. Die für solche Prozesse eingesetzten Temperaturen variieren zwischen 60°C (nur für Tonbänder) und 40°C. Da erhöhte Temperaturen die Bänder mechanisch beeinflussen können, was bei Videobändern besonders kritisch ist, und dies einen negativen Einfluss auf das weitere Leben des Bandes haben könnte, wird gegenwärtig empfohlen, die niedrigste Temperatur zu wählen, die noch einen Effekt erzielt.

2.2.1.1.3 Der Herstellungsprozess und die individuelle Unversehrtheit eines Bandes als Stabilitätsfaktoren

Während die chemische Zusammensetzung eine unverzichtbare Basis darstellt, wird dem Produktionsprozess eine noch höhere Bedeutung für die Stabilität der Bänder zugeschrieben: Gussgeschwindigkeit, gute Dispersion der Komponenten, sowie Temperatur und Druck des Kalanders, sind nur einige der Faktoren, die die Stabilität der Pigmentschichten bestimmen. Das kann durchaus zu unterschiedlichen Eigenschaften zwischen den Chargen desselben Bandtyps, bisweilen auch innerhalb derselben Charge führen.

Zusätzlich spielt die physische Integrität der Bandoberfläche eine beutende Rolle. Schlecht gewartete Wiedergabegeräte können die Bandoberfläche zerkratzen, die dann ein Einfallstor für destabilisierende Stoffe wie z.B. Feuchtigkeit ist.

Daher sind chemische Analysen für die Bewertung der Qualität und die Abschätzung der weiteren Lebenserwartung eines Bandes nur beschränkt aussagefähig. Da Zusammensetzung und Produktion von Bändern stark variieren, können Ergebnisse und Empfehlungen, die für einen Bandtyp oder auch nur für eine bestimmte Charge gültig sind, nicht notwendigerweise auf andere und schon gar nicht auf alle Bänder extrapoliert werden. In dieser Hinsicht sind generalisierende Aussagen und/oder Empfehlungen, die auf der Untersuchung weniger, oft nicht einmal identifizierte Bänder beruhen, kritisch zu sehen (Schüller 2014).


Abb. 13: Pigmentverlust: Chemische Reaktion oder schlechte Produktion?


Abb. 14: Seltener Totalverlust der Pigmentschicht. In diesem Fall sehr wahrscheinlich ein Produktionsproblem.

2.2.1.1.4 Abnützung durch Abspielung

Im Unterschied zu mechanischen Trägern können halbwegs moderne und gut erhaltene Bänder mehrere hundert Mal ohne messbaren Verlust der Signalqualität abgespielt werden. Voraussetzung dafür sind allerdings Wiedergabegeräte der letzten Generation in einwandfreiem Wartungszustand. Ältere oder schlecht gewartete Geräte können beim Abspielen Bänder empfindlich beschädigen, sogar zerstören.

2.2.1.1.4.1 Justage und Wartung von Geräten (nur für Wiedergabe). Tonbandgeräte bedürfen der sorgfältigen Einstellung folgender Parameter:

  • Vertikale Position, Azimut, und Umschlingungswinkel des Wiedergabekopfes (unerlässlich ist nach Abschluss der Arbeiten die unverzügliche Rückführung eines Kopfes in die genormte Position, nachdem er zur Kompensation eines fehljustierten Aufnahmekopfes dejustiert worden war;
  • Vertikale Position der Bandführungen zur Sicherstellung eines horizontalen Bandlaufes und zur Vermeidung einer asymmetrischen Position auf Bandspulen und Kernen;
  • Einstellung des Bandzuges für Abspielen und Umwickeln, besonders wenn dünnes Amateurband bzw. brüchige CA- Bänder gespielt werden müssen;
  • Einmessung des Wiedergabeverstärkers in Abhängigkeit von der Bandgeschwindigkeit und der Norm der Wiedergabeentzerrung (die Einmessung ist kopfabhängig, daher verlangen Kopfblöcke für verschiedene Spuren unterschiedliche Einmessungen bzw. Verstärker mit umschaltbaren Voreinstellungen).

Die Wartung umfasst:

  • Die Reinigung der Bandköpfe und Bandführungen (die Frequenz der Reinigung ist vom Abriebverhalten der verwendeten Bänder abhängig). Alle Oberflächen müssen in perfektem Zustand gehalten werden, um ein Zerkratzen der Bandoberflächen (2.2.1.1.3) und Geschwindigkeitsschwankungen zu vermeiden und einen engen Band- Kopfkontakt zu garantieren;
  • Die regelmäßige (tägliche) Entmagnetisierung der Köpfe und Bandführungen;
  • Die Kontrolle der kompletten Einmessung nach jeweils 50 – 100 Betriebsstunden (Kopfzeiten, nicht Einschaltzeiten).

Das Führen von Logbüchern für jedes einzelne Gerät, und die sorgfältige Dokumentation aller Justage- und Wartungsarbeiten ist unerlässlich (IASA-TC 04, 5.4).

2.2.1.1.5 Strategie zur Benützung von Tonbandsammlungen

Obwohl, im Gegensatz zu mechanischen Trägern, Tonbänder mit modernen und gut gewarteten Geräten mehrere hundert Mal ohne messbare Verschlechterung abgespielt werden können, besteht ein statistisches Risiko hinsichtlich einer Bandbeschädigung durch unvorhersehbare Fehlfunktion von Wiedergabegeräten. Besonders dünne Bänder (LP, DP und TP) auf Spulen, sowie alle Kassettenformate sind solchen seltenen, aber unvorhersagbaren Gefahren ausgesetzt. In der Zeit der analogen Träger hat dies zu einer Strategie des Kopierens solch empfindlicher Originalbänder auf robuste Studiobänder sowie zur Herstellung von Arbeitskopien für oft nachgefragte Aufnahmen geführt. Ob nun bereits digitale Repositorien angelegt wurden oder nicht, diese Strategie ist im digitalen Zeitalter genauso gültig, weil die meisten digitalen Audio und Video Originalformate sehr verletzlich sind. CDs und DVDs haben sich als Benutzerkopien sehr bewährt, nicht jedoch für Konservierungszwecke. Wie bei mechanischen Trägern wird auch hier eine Benützungsanfrage oft eine vorgezogene Digitalisierung auslösen.

2.2.2 Festplatten

2.2.2 Festplatten sind als Speicher im Computerbereich seit der Mitte der 1950er Jahre entwickelt worden. Der Prototyp für die heute verwendeten Festplatten war die 1973 entwickelte Winchester Platte. Seit Mitte der 1980er Jahre konnte die Speicherkapazität bei immer geringer werden Preisen stetig gesteigert werden, wodurch Festplatten zum meistgebrauchten Speichermedium sowohl für Kleincomputer, aber vor allem für Massenspeicher geworden sind. Durch diese Entwicklung haben aufnehmbare optische Platten, die in den späten 1990er und frühen 2000erJahren als audiovisuelle Speicher verbreitet waren, an Bedeutung verloren.

2.2.2.1 Aufnahmeprinzip und Bestandteile. Festplatten bestehen aus einer oder mehreren rotierenden Platten, meist aus Aluminium, Glas oder Keramik, die mit einer dünnen (10-20 nm) magnetischen Schicht versehen und auf einer Spindel montiert sind. Im Gebrauch rotieren sie heute zwischen 4.200 und 15.000 UpM. Ein Magnetkopf, manchmal aber auch mehrere für jede Platte, schreiben und lesen die Daten auf die bzw. von den Platten.

Der Kopf ist auf einem motorgetriebenen Aktuatorarm montiert, der den schnellen Zugriff auf jeden Teil der Platte gestattet. Um die geringstmögliche Distanz zur Platte einzuhalten, ohne jedoch die Platte zu beschädigen, hat der Kopf eine Form, die es ihm ermöglicht, auf einem Luft- bzw. Gaspolster zu schweben. Der Kopf „fliegt“ in der Distanz von Bruchteilen eines Nanometers, nur einige Gasmoleküle entfernt, über die Platter, was die Erfassung auch kurzwelliger Signale ermöglicht. Diese Distanz ist wesentlich zur Vermeidung von fatalen „head crashes“ als Folge einer Berührung der Plattenoberfläche. Festplatten dürfen daher, wenn sie in Betrieb sind, keinen mechanischen Schocks ausgesetzt werden.

Bis vor Kurzem war die Longitudinal-Aufzeichnung Standard, vergleichbar der Aufzeichnung auf einem Magnetband. Seit 2005 wurde die Vertikal-Aufzeichnung eingeführt, die gegenüber der Längsaufzeichnung eine höhere Datendichte um das Dreifache und mehr erlaubt.

Ursprünglich in Luft, sind moderne Festplatten auch in einer Helium-Atmosphäre gelagert. Die Platte ist versiegelt, was sie bis zu einem gewissen Grad vor dem Eindringen von Staub schützt. Die Temperatur stellt überdies einen kritischen Faktor dar: Hersteller geben 40-55°C als Maximum für einen sicheren Betrieb an.

2.2.2.2 Plattendurchmesser. Die heutigen Durchmesser der Festplatten betragen 3.5 und 2.5 Zoll. Kleinere Festplatten, ursprünglich für Sub-Notebooks entwickelt, befinden sich auf dem Rückzug, sofern nicht bereits obsolet. Sie werden zunehmend durch Festspeicher ersetzt.

2.2.2.3 Lebenszeit. Die Lebenszeit von Festplatten wird oft als „Mean Time Between (To) Errors“ (MTBF oder MTTF) angegeben, die für gegenwärtige Produkte zwischen 1 und 1.5 Millionen Stunden beträgt. Diese Zahlen sind aber von Labortests extrapolierte Werte und sagen nichts über die Lebenszeit eines bestimmten Mediums aus. Realistischere Größenangaben über Fehlerraten liefern „AFR“-Angaben, „Annualised Failure Rates“, die die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls von Platten angeben, ausgedrückt als Prozentsatz von ausfallenden Platten innerhalb einer großen Population in Anhängigkeit ihres Alters. Typische Werte liegen unter 10% für die ersten fünf Jahre. Trotzdem erlauben diese Angaben keine verlässliche Vorhersage der Lebenszeit einer bestimmten individuellen Platte. „SMART pre-failure alerts“, sofern sie angemessen überwacht werden, sind allerdings hochkorrelierende Ankündigen möglicher späterer Ausfälle.

Ausschlaggebend ist die praktische kommerzielle Lebenszeit einer Festplatte in einer Serverumgebung, insbesondere die ökonomische Servicierbarkeit. Typischerweise werden Festplatten zwischen drei und sieben Jahren in Betrieb gehalten.

Diskussionen über die langfristige Lagerung (mehrere Dekaden) von Festplatten „im Regal“ haben zu keinen schlüssigen Ergebnissen geführt.

Zusammenfassend muss betont werden, dass eine bestimmte, individuelle Festplatte ein inhärent unsicherer Datenspeicher ist. Allerdings ist die Lagerung mehrfacher Kopien eines Files in einem gut organisierten Massenspeicher, der aus mehreren Festplatten besteht und mit selbst-prüfenden und selbst korrigierenden Protokollen betrieben wird, eine sichere und effiziente Methode der Langzeitbewahrung (IASA-TC 04, 6.3.14-21).

2.2.3 Magneto-optische Träger (MODs)

Während die Information magnetisch gespeichert wird, erfolgt die Aufzeichnung und Wiedergabe auf optischem Weg. Wegen ihrer den optischen Platten ähnlichen Architektur werden MODs unter 2.3.1.4 beschrieben.